Montag, 30. Mai 2011

Die Freiheit, die wir haben ...

… führt uns nach Treysa

Es gibt die mannigfaltigsten Definitionen von Freiheit, - wobei es schon an sich ein recht ulkiger Gedanke ist, den Begriff der Freiheit zu definieren, wenn diese doch gerade alle Einschränkungen und Auflagen auszuschließen vermag - und ich möchte mich gar nicht lange mit dieser recht müßigen Frage der Definition aufhalten; viel eher interessieren an dieser Stelle die Teilbereiche des großen Wortes, die nämlich so viel leichter abgesteckt werden können.

Das Studentenleben an sich bedeutet für viele Menschen Freiheit; es ist dann ein (meist) vergangener Lebensabschnitt, an den man sich gern zurück erinnert, weil man so wenige Verpflichtungen und ebenso viele Freiheiten hatte. Studenten wiederum erinnern sich bei Zeiten gern an die Schulzeit, weil es dort Menschen gab, die ihnen ganz klar sagten, was zu tun sei, und andere Menschen gab, die ihre Wäsche wuschen und für sie putzten (manche Menschen erfüllen sogar alle drei Disziplinen). Schüler hingegen erinnern sich gerade in den ersten Jahren auf einer höheren Schule gerne an ihre Kindheit zurück, die tatsächlich noch nicht allzu lange her liegt, und dennoch doch so viel mehr an Freiheiten bot.  
Treysa Hbf: Freiheit bedeutet, auch wieder fahren zu können

Doch zurück zu den Teilbereichen.
Ein Teilbereich von Freiheit findet sich zum Beispiel im Studententicket wieder: Wir können fahren, wohin wir wollen. Natürlich nicht ganz, denn irgendwo hört der Geltungsbereich des Studententickets auf, und auch wir – ob Mathematiker, Philosoph oder Biologe – müssen zahlen, sobald wir uns außerhalb Hessens bewegen. 

Dass Freiheiten an sich viel zu selten genutzt werden, und dass man die Gegend vor seiner Haustür oft am wenigsten kennt, veranlasste uns am vergangenen Freitag zu einem experimentellen Ausflug. Es war einer der berühmten Trips, bei denen man über seinen Tellerrand guckt, - und vielleicht auch nur, um ein paar übrig gebliebene Kuchenkrümel zu entdecken; in Nordrheinwestfalen etwa hält sich seit einiger Zeit das hartnäckige Gerücht, die Stadt Bielefeld existiere nicht, - in studentischen Kreisen entstand recht schnell ein ähnliches Sagen um die Kleinstadt Treysa. 
Grund genug für uns, dort hinzufahren.

Etwa dreißig Minuten braucht man, um nach Treysa zu gelangen; auf der Fahrt streicht man recht malerische Orte wie Cölbe, Bürgeln oder Anzefahr. Die Gegend, die sich Schwalm-Eder-Kreis nennt, zählt viele kleine Dörfer und Ortschaften, von denen Treysa mit etwa 20 000 Einwohnern die größte ist. 
Häuser wie in Marburg, nur nicht in Marburg
Das alles wissen wir jedoch nicht, während wir dorthin fahren. Genau genommen können selbst wir rückblickend nicht mehr sagen, was wir uns von Treysa erhofften oder was wir erwarteten; womöglich war es einfach der - für einen Ethnologen nicht ungewöhnlichen - Wunsch, einen weißen Flecken auf unserer Deutschlandkarte auszufüllen. 

Als wir in Treysa ankommen, beginnt es zu regnen. Wir überprüfen zunächst die Rückfahrtmöglichkeiten. Das klingt böse, doch so groß das Forschungsinteresse, so gering ist doch der Wunsch, hier zu übernachten. 
In einer Mischung aus Faszination und Enttäuschung wandern wir die Hauptstraße entlang, passieren mindestens fünf (!) Bäcker auf 200 m und lassen uns treiben. Wir entdecken Eisdielen und schlendern durch kleine Gassen. Wenn man nicht genau darüber nachdenkt, ist es wie in Marburg. 
Schließlich erklimmen wir einen kleinen Hügel, denn um sich einen Überblick zu verschaffen, ist ein Ausblick oft recht hilfreich. 
Wir sehen Bahntrassen und grüne Berge. 
Nach etwa 1 1/2 Stunden verlassen wir die kleine Stadt; wir wissen jetzt, dass es sie wirklich gibt.

Schön ist der Hafen in Marburg

"Ein Hafen ist ein natürlich oder als Hafenanlage künstlich geschützter Uferbereich für die Schifffahrt, meist durch ein System von Hafenbecken, Anlegestellen, Kais, Hafenmauern und Molen gebildet. 
Echter Marburger: Seemannsbart und Fisch im Arm
Man unterscheidet zwischen Schutzhafen oder Heimathafen (engl. harbour), und Fährhafen oder Handelshafen (engl. port). Wichtigere Häfen haben eigene Verkehrsanbindungen, zum Beispiel einen Eisenbahnanschluss, der bei großen Anlagen einen eigenen Hafenbahnhof besitzt, oder eine eigene Autobahnanbindung. Die Nutzung der Hafenanlagen ist in der Regel entgeltlich und wird im Hafentarif berechnet."

… heißt es in einem bekannten Online-Lexikon. Dieser Definition folgend, gerät man leicht ins Grübeln, wenn man an das vergangene Wochenende und sein Motto denkt. Sicherlich, Definitionen lassen, - eben weil definiert - nicht sonderlich viel Platz für Ausführungen oder Sonderfälle. Doch selbst, wenn man beide Augen zudrückt und wohlwollend die Lahn betrachtet, selbst dann wird man zu dem Schluss kommen, dass diese Stadt nicht über einen Hafen oder ein Hafenbecken verfügt.

Ich sehe ein, dass Flüsse immer schon ein wichtiger Transportweg für Waren und fahrende Händler waren, weshalb ich die Assoziation mit einem Hafen durchaus nachvollziehen kann, aber pingelig wie der Deutsche nun mal ist, möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass die Lahn erst ab der Höhe Lahnau und Wetzlar-Dutenhofen als Bundeswasserstraße ausgewiesen ist. 
Karibik in Hessen: Marburg-Beach
Nun muss man dagegen halten, dass das Hafenfest nicht einfach so aus dem Boden schoss; nein, es gibt eine Vorgeschichte, die nämlich im letzten Jahr ihre Wurzeln hat: unter dem Motto „Marburg an die Lahn“ fand es schon im vergangenen Jahr statt und aufgrund der hohen Beliebtheit erfuhr es nun am 28. Und 29. Mai 2011 ein Revival.
Und schön war es ja auch; kleine Buden und Stände reihten sich um die Luisa-Haeuser-Brücke, an denen man Fischbrötchen (!) und Crêpes erwerben konnte; auf der Flussbühne und entlang der Lahn boten sich die verschiedensten (interaktiven) Möglichkeiten zur Unterhaltung, und für alle, denen selbst das zu viel Eigenbeteiligung war, gab es ja noch den kurzen Abschnitt Marburg-Beach mit echten Palmen, Liegestühlen und falschem Sand. 

Doch das Programm kann sich in diesen Tagen tatsächlich sehen lassen; schon ab 14.oo Uhr kann man sich entlang der Lahn treiben lassen und musikalische wie kreative Höhepunkte erleben. Die Flut von Besuchern erscheint allerdings erst gegen Abend, als eine Beatles-Coverband (ReCartney) mit original Pilzköpfen die Songs der vier Liverpooler zum Besten gibt. Jung und alt schunkeln dabei wie es sich der Nichthafenbewohner von einem echten Hafenleben vorstellt. 
Ganz entgegen der Shanty-Kultur tritt die Ska- und Reggaeband Jaya the Cat ab halb zehn auf der Flussbühne auf, zu deren entspannten Tönen es einige Menschen sogar ins Marburger Hafenbecken zieht. Zum Glück gibt es für jene Wasserratten die Besatzung der DLRG, die jene Wagemutigen recht bald an Bord ziehen.

Ein lustiger Moderator in Kapitänskostüm unterhält dabei die Massen mit feschen Sprüchen, die das studentische Publikum zu Buh-rufen animiert. Der Captain kontert schlagfertig: „Ich heiße Bo, nicht Buh“ – und eine noch größere Woge von Zurufen lässt ihn nach Luft ringen.
Kurz vor Mitternacht taucht schließlich das Feuertheater Funkenschlag auf und verzaubert die Massen, die auf den Brücken und den Lahnterrassen oder auch am Ufer stehen. 
Am folgenden Sonntag weckt die Jazz-Combo The Swinging Wodka Lemon Gang die Anwohner des Erlenrings. Poetry Slam und Ruhrpott-Rapper Fard folgen.

Jaya the Cat: Samstagabend in Marburg
Rückblickend war das Marburger Hafenfest tatsächlich eine schöne Idee; und dennoch stößt man sich leicht an dem Begriff des Hafens, - nicht etwa an dem Einfall, ein Fest zu feiern, nein, den Spaß will ich hier niemandem verbieten. Doch die Sache mit dem Hafen hängt mir stark nach.. Es ist verständlich, wenn der REWE italienische oder spanische Wochen hat; aber einen Hafen ans Flussufer zu quetschen und eine Marburger Seemannsidentität zu bilden, halte ich an dieser Stelle für übertrieben. Wasserstraße hin oder her, der nächste Hafen – und sei es nur der Duisburger Binnenhafen – ist mehr als 270 km entfernt, ganze 400 km trennen uns von Hamburg.
Ein einfaches Lahnfest hätte es auch getan, und den Marburger Lokalpatriotismus gestärkt (wenn das denn der Gedanke war, der dahinter steckte). Trotz allen Einwänden bleibt jedoch zum Schluss zu sagen: eine wirklich schöne Idee.

Montag, 23. Mai 2011

"Geh bei Seite. Jetzt fliegen hier die Fetzen."

Der Miles gloriosus in Marburg

Vieles müssen sich die Römer gefallen lassen; ihre Sprache sei tot, ihr Reich untergegangen, ihr Einfluss schwindend. Dass derartige Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen, bewies die studentische Schauspielgruppe des Seminars für Klassische Philologie in den vergangenen zwei Wochen. Sie brachte ein Stück auf die Bühne, das mehr als 2000 Jahre alt ist und dennoch in vielen Punkten - Sprache, Humor, Theatertauglichkeit - mehr als begeisterte.

Das Publikum erlebt im Laufe der Vorstellung eine regelrechte Odyssee, die sich tatsächlich in all ihrer Vielfalt sehen lassen kann; die schöne Philocomasium nämlich trennte man von ihrem Liebsten Pleusicles. Nun lebt und leidet sie als Prestigeobjekt im Hause des herrlichen Pyrgopolinices, dessen hingebungsvolle Verehrung seiner Selbst dem schönen Stück den Namen gibt: Miles gloriosus, der ruhmreiche Soldat, der nämlich keine Gelegenheit auslässt, sich seiner unglaublichen Taten zu rühmen und zu preisen und dabei Achill, Herkules und eigentlich alle Helden der antiken Sagen in den Schatten zu stellen. 
Am liebsten jedoch hört er zu, während sein Sklave Palaestrio die von ihm verbrachten Heldentaten zum Besten gibt, und jener ist es auch, der den gesamten Verlauf des Schauspieles bestimmt, obgleich es oft genug danach aussieht, als würde der doch so durchdachte Plan scheitern. 

Mit allerhand List und der Hilfe seines betagten – und doch nicht müden – Nachbarn Periplectomenus gelingt es Palaestrio, die schöne Philcomasium den Händen des Soldaten zu entreißen und sie mitsamt Pleusicles unbemerkt von Ephesus nach Athen zu schicken. 
Als gewitzter Drahtzieher im Hintergrund schmiert er währenddessen dem Narziss Honig ums Maul, um die getrennte Liebe wieder zu vereinen.
Dabei kommt tatsächlich letztlich niemand zu Schaden, - bis auf den glorreichen Soldaten, der zuletzt einsehen muss, dass sein Stolz und die vollbrachten Heldentaten nicht jeden in Entzückung versetzen. 

Bekannt mag vielen die Handlung des Miles gloriosus erscheinen, denn das Schauspiel, das Titus Maccius Plautus (ca. 250 - 184 v- Chr.) niederschrieb, lässt schnell an Shakespeare's The Merry Wives of Windsor denken; eine Geschichte, in der Lügen, Frauen und ein überschätztes Selbst mit Namen Falstaff ebenso erscheinen.
In Zeiten, in denen sich immer mehr Menschen für Plagiate interessieren, sei an dieser Stelle nur gesagt: Plautus wandelte zuerst auf dieser Erde. Ob Shakespeare von ihm wusste, wissen wir nicht. Aber er hat einen nicht einzuholenden zeitlichen Vorsprung, weshalb uns Shakespeares Komödie viel eher an Miles erinnern sollte als andersherum.

Fast zweieinhalb Stunden dauert die Aufführung, eine kurze Pause gestattet sowohl den Schauspielern als auch dem Publikum, Luft zu schnappen. Am Ende erntet das Ensemble tosenden Applaus, und das durchaus zu Recht, denn das dargebotene Schauspiel bot tatsächlich einen hohen Unterhaltungswert, nicht zuletzt wegen der beachtlichen schauspielerischen Leistung. 

Noch viel erstaunlicher ist dabei vielleicht eine recht unscheinbare Beobachtung, die wohl doch jeder Besucher an diesem Abend gemacht haben wird: der Mensch des 21. Jahrhunderts unterscheidet sich zwar vom antiken Bürger in nicht wenigen Dingen (wie etwa dem I-Phone, der U-Bahn, Elektrizität oder gar dem Automobil), doch waren diese uns – oder wir ihnen? – gar nicht so unähnlich: denn es wird aus vollem Herzen gelacht und Witze, die wohl schon im zweiten Jahrhundert v. Chr. den Menschen erheiterten, tun es auch im Jahr 2011.

Freitag, 13. Mai 2011

Langeweile und Bier

Stolz, Freude und Begeisterung
Nein, dieser Artikel hat nichts mit meinem Studiengang zu tun. Viel eher handelt er von den Stunden, in denen das Studienfach und sämtliche Verpflichtungen ausgeblendet werden, ergo von den Stunden, in denen das berühmte Studentenleben sich in vollen Zügen darbietet.  
An dieser Stelle möchte ich die Kreativität und Verbissenheit meiner Mitbewohner rühmen, die nach monatelanger Vorbereitungszeit am vergangenen Abend endlich das bewältigten, wovon sie doch schon so lange träumten. 
Hier sei bemerkt, dass die beiden Herren nicht zum FB 03 gehören und somit laut Studentenmund keine Freizeit haben können, diese aber augenscheinlich doch haben, denn sonst hätten sie nicht auf die bezaubernde Idee kommen können, mich mit einem Sichtschutz aus Bierdosen zu beschenken. 

Das Uni-Theater

Alles das, was zu Beginn eines Studiums neu und aufregend ist, verliert im Laufe der Jahre den Glanz des Unentdeckten, den Reiz des Ungereizten, und läuft schließlich dem Ende eines unsichtbaren Zeitstrahls entgegen; sicherlich ist im zweiten Semester noch lange nicht der Punkt erreicht, an dem man dem Studentenleben überdrüssig ist, sich satt gesehen hat. Und doch haben nach knapp acht Monaten gewisse Dinge ihren offensichtlichen Charme verloren, während andere ihre geheimen offenbaren.

Ein Ausflug in die Mensa etwa ist kein Ereignis mehr; er ist nötig und oft nur Teilbereich eines ganzen Tages, dessen Highlights weniger kulinarisch wenn nicht hoffentlich geistreich sind. Die Raumsuche in der Phil-Fak hat ebenfalls wenig von dem Spaßfaktor, mit dem die Schnitzeljagd in der einführenden Orientierungswoche zu vergleichen betrieben wurde und kann bei Zeitdruck schon mal zur Verzweiflung führen.
Die Nerd-brille: Komischsein ist angesagt.
Wir haben uns eingereiht in den Strom aus Studenten und fluten die UniBib, die Mensa oder das Hörsaalgebäude. Und langsam, allmählich eröffnet sich uns das Studentenleben, es wird hinter die Kulissen gesehen und Dinge, Gegenstände oder gar Personen, die wir zunächst bewunderten, erblicken wir nun in einem anderen Licht. Und wundern uns. 

Denn: die Uni ist – neben ihrer Funktion als Partnerbörse und Wissenslokal – ein Theater. Ein Theater, in dem sich jeder seine Rolle aussucht und sie aufs beste spielt. Allein fünfzehn Minuten reichen aus, um dem bunten Treiben der studentischen Akteure einen gewissen Hang zur Tragik, zur Nostalgie und auch zum Drama zuzusprechen. Fünfzehn Minuten, die ich wartend vorm Eingang der Mensa verbrachte, und die mir genug Zeit gaben, um ins ethnologische Feld einzutauchen.
Menschen, die sich durchaus in meinem Alter befinden, repräsentieren an der Uni mit einem Male längst vergangene Epochen, die sich durch Schnäuzer, Goldketten und wehende Schals auszeichnen. Sie tragen alte Lederkoffer mit sich und blicken ernst, als wären darin keine normalen Collegeblöcke oder studentische Kopien, versehen mit Kritzeleien und malerischen Werken der Langeweile, sondern tatsächliche Schriften à la Weber oder Marx, die den Fortschritt der Menschheit beschleunigen oder gar wesentlich verändern könnten. 
 
Und wie es diejenigen gibt, die ihr Gastspiel an der Uni-Bühne so kostümiert bestreiten, als hätten sie gerade den Speicher aufgeräumt, so gibt es auch jene, die sich der alljährlichen Mode verschreiben; sie tragen lange Kleider, quietschende Farben, bunte Hosen … und Brillen. 
Augenscheinlich ist es seit einiger Zeit angesagt, große Brillen zu tragen, über die man sich in zehn Jahren todlachen wird, denn mittlerweile tragen auch jene Menschen eine Brille, die gar keine benötigen. Mode ist ein Wunsch, dem man sich schwer entziehen mag. Brillen sind gerade an der Uni ganz hervorragend, denn sie vermitteln offensichtlich eine gewisse, subtile Intelligenz.
Das Tragen einer Brille kann den ganz persönlichen Auftritt im Seminar mit unverhoffter Autorität und Bewunderung füllen. Es sind auch diese Menschen, die im Laufe ihrer Wortbeiträge mehrmals an signifikanten Stellen inne halten, sich räuspern und selbst dieses Räuspern mit einer tonlosen Pause versehen, um jedem zu verdeutlichen, dass gerade etwas ganz Wichtiges geschieht.


Bitte, ich möchte nicht falsch verstanden werden; ich mache mich hier nicht lustig über meine Mitstudenten. Ich wundere mich nur. Über Menschen, die genau so alt sind wie ich und doch so anders, über so viel Vielfalt, über so viel Theater - und über den Schein, der wohl nirgends so radikal, offensichtlich und doch unausgesprochen ausgelebt wird, wie an der Uni. 

Bildnachweis:Nerdbrille: http://image.spreadshirt.net

Sonntag, 1. Mai 2011

Neulich im Oberstadtaufzug ...

Aufzüge sind für den Marburger Bürger eine Art Selbstverständlichkeit; sie zählen in dieser Stadt sogar zu den öffentlichen Verkehrsmitteln, pendeln den ganzen Tag zwischen Oberstadt und Pilgrimstein, - und dennoch scheint man sich über das Verhalten an diesem fahrenden Orte nicht ganz einig zu sein.
Es ist ein heißer Nachmittag und müde schieben wir uns kleineren der beiden Aufzüge. Es wird eng, denn viele wollen nach oben und zunächst zeigen wir uns damit beschäftigt, Schuhe zu betrachten und Blicken auszuweichen. Schließlich beginnt eine Studentin mit ihrem Nachbarn zu reden, ganz leise. Und doch scheint das bereits zu viel zu sein.
„Im Aufzug spricht man nicht!“, fährt ein älterer Herr dazwischen und straft die Studentin mit bösen Blicken.
Um uns herum ist es still.
„Ich spreche, wann und wo ich will“, erwidert die Studentin und macht ein kampfbereites Gesicht.
„Oberstadt“, sagt die Stimme der Fahrstuhlfrau, und man schiebt sich durch die Tür nach draußen, wo man wieder reden darf.