Montag, 22. August 2011

Marburger Allerlei

In der Mensa wird es nie langweilig

Leidig ist es, über die Mensa zu schreiben und zu lesen; denn eine Mensa ist eine Mensa. Und dass Johann Lafer nicht am Erlenring kocht, ist kein Geheimnis, sondern eine Tatsache, die man recht leicht hinnehmen kann. 

Kocht nicht nur mit Wasser: 
die Marburger Mensa
Während der Ersti noch zögernd und kritisch die Mensa und ihre Köstlichkeiten beäugt, geschieht diese Verköstigungsprobe in den folgenden Semestern in schleichender Regelmäßigkeit. Was der Ersti noch ahnt, weiß der Master schon: als Student nämlich muss man über formloses Veggie-Gyros, geschmacklose Gnocchi oder gesalzen-suppiges Salatdressing hinwegsehen können; und tatsächlich ist der bon goût kein Kriterium für einen Besuch in der studentischen Kantine. 

Doch in den Semesterferien leistet sich die Marburger Mensa einen Klops nach dem anderen. Man entschied sich scheinbar gegen die Langeweile und für das Ereignis, denn es sind regelrechte Happenings, die da statt finden, und die keinem Fluxus-Künstler in den Sinn gekommen wären: Bestandteile eines Gummihandschuhs landeten im Hauptgericht und bieten eine recht interessante Abwechslung zu all den Kartoffeln, Nudeln und Soßen. Eine Kugelschreiberspirale fand ebenfalls unberechtigter Weise ihren Weg auf den studentischen Teller und sorgte für Verwunderung und Missmut. 
Auf die Frage hin, ob beim ungewollten Verzehr von Schreibtischzubehör zumindest der Betrag von 2.45 Euro zurückerstattet werden würde, folgte eine still geschwiegene Pause und der gut gemeinte Lösungsvorschlag, sich doch zwei neue Beilagen auszusuchen. 
Aber wer einen Liter saure Milch kauft, will keine Kuh geschenkt. 


Dabei ist die am Erlenring gebotene Auswahl nicht zu verachten, wird sie doch von manchem Studenten sogar liebevoll mit einem "Jahresadventskalender" verglichen, so groß ist die Vorfreude auf das Gezauberte, so groß das Rätseln um den Inhalt. 

Um die kulinarischen Vorlieben der Studierenden in Erfahrung zu bringen, fand erst vor wenigen wenigen Monaten eine ausführliche Umfrage statt, die darauf zielte, eben diese bald in der Mensa anbieten zu können. Scheinbar nahmen auch einige Steinbeißer daran teil. 

Mehr Pudding bitte, - denn der ist tatsächlich unschlagbar und deshalb völlig zurecht die Nummer 1 in der Kantinenhitparade. 
Mehr Gemüse.
Ein bisschen mehr Geschmack. 
Und weniger Schreib- oder Putzutensilien zwischen Reis und Schnitzel. Dann wären wir schon zufrieden. 

Bildnachweis: (1) Adventskalender: www.freiluft-blog.de; (2) Marburger Mensa: www.uni-marburg.de; die Bloggerin distanziert sich von jeglichen Inhalten der genannten Seiten.

Donnerstag, 18. August 2011

Nachts. In der BIB.

Die Semesterferien sind eine Zeit der Extreme; des extremen Sommers zum Beispiel, in dem es regnet und stürmt, während kurz darauf die Sonne hervorkommt und Hessen mit guter Laune bestrahlt. Aber diese zweieinhalb Monate, in denen sich der ordentlich eingeschriebene Student unter Sonne und Wolken räkelt, sind keineswegs eine Zeit des süßen Nichtstuns. 

Malediven: die BIB ist anders. 
Denn wer, - aus welchen Gründen auch immer - zu dieser Zeit die Universitätsbibliothek (den vielversprechenden Kubus neben den künftigen Weltkulturerbepavillons der Marburger Phil-Fak) aufsucht, der erfährt das etwas andere Gesicht der Semesterferien: den Studierenden, die in diesen Tagen die Kopierer, Rechner und Lesesäle der BIB gegen Handtücher und feinkörnigen Sand austauschen, ist das Wetter gänzlich egal, denn wenn sie den Ort der Taten und Gedanken wieder verlassen, ist es bereits dunkel und wohl nach Mitternacht. Jene, für die die gesellschaftlich imprägnierte Traumsymbiose von Sommer und Freizeit pure Romantik ist, verbringen ihre Zeit - vielleicht nicht lieber, sondern intensiver - mit Georg Simmel, Niklas Luhmann und / oder Meilensteinen der Kunstgeschichte in Florenz und Mailand. 

Dabei kann der uneingeschränkte Beobachter recht bald einige interessante Auffälligkeiten bemerken: je später es wird, desto seltener sind und werden die wenigen, die es noch an den Rechnern hält. 
Die BIB im Sonnenuntergang: wenig Sand und Ozean
Gerade gegen Ende erhält man schnell das Gefühl, dieser Tag im Bücherwürfel sei tatsächlich auch der letzte; denn wenn sich um 23:30 Uhr langsam die Reihen lichten, weil die Augen kleiner und der Hunger größer werden, dann gibt es doch ein paar Individuen, die scheinbar auch nicht davor zurückschrecken würden, in der BIB zu nächtigen. 

Geschäftiges Treiben. Gegen 23:45 Uhr ist noch immer kein Ende zu sehen, und wenn wenige Minuten vor Schließung eine Eilmeldung auf den Rechnern erscheint, dass diese in Kürze herunter gefahren werden, tritt leichte Panik in die Gesichter der angestrengt Tippenden.
So jeden Abend. Jede Woche. Die ganzen Ferien über. 

Man hat es vermuten können, denn die Form der Universitätsbibliothek ist tatsächlich verräterisch, und doch: die BIB, sie ist ein Paralleluniversum. Eine andere Welt. In der äußere Bedingungen keine Rolle spielen, zu der sie keinen Zugang haben. 

Und so beschwingend das Gefühl nach einer um 23:59 Uhr beendeten Hausarbeit doch sein mag, - all jene, die ihr euren Sommer, oder auch nur eure Ferien, nicht in der BIB verbringen könnt und dürft, seid froh und genießt eure Zeit. 

Bildangabe:
(1) Malediven: twiggy.net; (2) BIB: blackcklime.blogspot.com ; die Bloggerin distanziert sich von jeglichen Inhalten der genannten Seiten. 

Montag, 15. August 2011

Im Vakuum


Mit seinen 80 000 Einwohnern ist Marburg eine Kleinstadt.
Eine kleine Studentenstadt, die kaum Platz für all die Studenten hat, die hierher kommen, beflügelt oder gedrängt vom Wunsch, Akademiker zu werden; eine Stadt, die jedes Jahr aufs Neue mit diesem Problem zu kämpfen hat und die sich im nächsten Wintersemester erneut mit einer Flut von Studierenden zu kämpfen hat, die zum ersten Mal mit acht Jahren und ohne anschließenden Wehrdienst die Schule verlassen. 
Auf Parkplätzen wird da geschlafen, in Autos wird übernachtet, auf den großen oder auch kleinen Korridoren bereits ausgebuchter Studentenwohnheime, so genannten Notunterkünften. 
So eng sich die Oberstadt an den Schlossberg drängt, so eng und schmal erscheint uns die Stadt zu Zeiten, in denen Wogen von Studenten die Straßen, Busse und Institute überfluten. 

Nicht so in den Semesterferien. 

In den Semesterferien, in den großen Semesterferien des Sommersemesters, die sich beinahe über drei Monate erstrecken, wirkt die Stadt wie leer gefegt, wie verlassen, ein Vakuum des Körpers - und des Geistes. 

Semesterferien: überall. 
Mit einem Male kriegt man einen Platz in Cafés und Parkplätzen, die Schlangen in örtlichen Supermärkten sind gar nicht mehr so lang, und man begegnet Menschen, die man hier zuvor nie gesehen hat. Für Marburger Verhältnisse beinahe unvorstellbar.
Irgendwie scheint es, als habe man nicht nur deutlich mehr Zeit, sondern auch deutlich mehr Raum, um die Dinge zu tun, die man im Semester und während der Prüfungszeit doch ach so gerne tun wollte.

Dabei sollte man sich nichts vormachen: die Leere in der Stadt ist gleich der Leere im Kopf und zu großen geistigen Taten ist man zu dieser Zeit nicht fähig. 

Tage verstreichen und Nächte kommen, in denen nichts geschieht. Die Menschen, sie sind ausgeflogen, mit ihnen ging der Wille, irgendetwas zu tun, und auch der Sommer.
Denn was tun im Sommer, wenn dieser selbst verschwand?

Das Wetter ist in diesen Tagen (k)ein Thema, mit dem man sich Freunde macht, und dennoch muss man dem Deutschen zu Gute halten, dass er sich weitaus weniger über die Wolken und den Regen und die hochsommerliche Kälte auslässt als er könnte oder als man es ihm so gerne nachsagt. 

Ein Vakuum also, das sogar unseren doch so bekannten Meckerinstinkt lahm legt und uns dahin  vegetieren lässt. Semesterferien, noch zwei Monate. 
Und obgleich elende Langeweile bei Zeiten unser Gemüt vernebelt, ist schon jetzt zu erahnen, wie schwer es sein wird, Mitte Oktober zurück in die Realität zu finden. 

Montag, 8. August 2011

Die Fachschaft 09

Fast jeder Fachbereich hat eine Fachschaft; manche Fachbereiche haben sogar mehrere Fachschaften und genauso gibt es Fachschaften ohne Fachbereich. Doch worin unterscheidet sich die Fachschaften Jura von der Fachschaft Medizin? Und was genau macht eigentlich eine Fachschaft?
Um Licht ins Dunkel zu bringen, muss man hoch hinaus …

Es rütteln die Fenster in den obersten Höhen des A-Turmes der PhilFak; dunkles Linoleum bedeckt den Boden des kleinen Raumes, den einige eng beieinander stehende Möbel beinahe komplett ausfüllen; die Wände sind gespickt mit bunten Plakaten, die von Weihnachtsmännern, Blumen oder farbigen Vierecken geziert werden. Die Aussicht – angeblich das Beste an der PhilFak – ist durch klappernde Rollos verdeckt.
ein Teil der Fachschaft 09 im Phil-Fak-Turm
Es ist einer der wärmsten Tage des Jahres und hier, im siebten Stock, ist die Hitze erdrückend und schweißtreibend zugleich. Kaffee läuft stockend und röhrend durch den Filter einer blauen Kaffeemaschine, die auf einer Bank steht. Neben mir steht ein Pappplakat von Mesut Özil und Miroslav Klose, aber auch sie erstarren in ihrer doch so euphorischen Haltung, so, als wären auch sie nicht in der Lage, ihre Bewegung zu Ende zu führen. Den Aufsteller hatte die Fachschaft während der letzten Orientierungswoche (im Unijargon: OE) von eifrigen Erstsemestern geschenkt bekommen.

Es ist 18.00 Uhr an einem Mittwochnachmittag und somit Treffpunkt für die Fachschaft des Fachbereichs 09: Germanistik und Kunstwissenschaften. Vor mir sitzen Eric Buhse, Fabian Eggert, Lydia Rückert, Aron Pannwitz, Christina Wehnert und Theresa Herz. Heute sind sie nur zu sechst; es mag an der Hitze liegen, die in diesen Tagen die Stadt und wohl auch einige Studierende lahm legt, dass sie nicht vollzählig sind. Wenn jedoch alle zwölf versammelt sind, bilden sie die größte Fachschaft des Fachbereichs 09, bestehend aus Germanisten, Linguisten und angehenden Medien- und Kommunikationswissenschaftlern.

Während Eric am Schreibtisch sitzt und per Mausklick das Programm der heutigen Sitzung verliest, sitzen die anderen Fachschaftsmitglieder auf Stühlen oder Sesseln und kommentieren die Tagespunkte.

Wie viele andere Fachschaften organisiert auch die Fachschaft des Fachbereich 09 die obligatorischen Studentenparties, von denen die zahlreichen Plakate im Raum herrühren. Dreimal im Jahr wird eingeladen - zur Orientierungswoche, zu Weihnachten und einmal im Sommer. Stammtische an jedem ersten Mittwoch im Monat verkürzen das Warten bis zur nächsten Party und bieten Möglichkeiten, die Fachschaft und ihre Unternehmungen besser kennenzulernen.

Wo alles beginnt: die Phil-Fak
Und doch ist es damit nicht getan: Der eigene Studiengang beeinflusst und lenkt auch das Tun der Fachschaft. So haben sie zum Beispiel in regelmäßiger Häufigkeit Schreibwettbewerbe auf die Beine gestellt. Zusätzlich organisieren sie  jedes Jahr die einführende OE zu Beginn des Studiums. Allein im letzten Jahr waren es vierhundertfünfzig Erstsemester, die sie auf das kommende Universitätsgeschehen vorbereiteten und denen sie somit den Einstieg ins Studentenleben erleichterten.

Dabei ist die OE oft gleichzeitig der Einstieg für das fachschaftliche Engagement. Gerade deshalb ist sie für die Zwölf von großer Bedeutung, denn wie jedes Jahr werden auch in diesem Sommersemester einige von ihnen ihren Abschluss machen und Marburg möglicherweise verlassen - umso wichtiger, den Fortbestand der Fachschaft zu sichern.

Denn auch mit zwölf Mitgliedern an der Zahl können sie nicht alle ihre Vorhaben verwirklichen, und so scheitert die Durchsetzung vieler Projekte nicht an den Mitteln, sondern an den Helfern oder an der eigenen Bekanntheit: „Die meisten wissen einfach nicht, dass ihr Fachbereich überhaupt eine Fachschaft hat“, sagt Lydia Rückert. „Eine unglaublich große Zahl der Germanisten studiert Lehramt, und viele von ihnen kennt man kaum.“ 
Dennoch wissen die Zwölf ganz genau, welche Veranstaltungen sie anbieten würden, bestünde die Fachschaft nur aus Einigen mehr: von einem Film- oder Kleinkunstfestival ist die Rede oder auch davon, die Studentische Tagung der Sprachwissenschaft nach Marburg zu holen.

Gerade erst haben sie der Fachschaft des Studienganges Kunst, Musik und Medien bei der Organisation des alljährlichen Sommertagstraums, einem künstlerischen Sommerfest, mitgeholfen. In den vergangenen Wochen konzentrierten sie sich auf die Hochschulwahlen. Das passende Plakat dazu hängt bereits im Fachschaftsraum und wird mir von Eric erklärt: „Wir haben versucht, so viele Studierende wie möglich zu den Wahlen zu bewegen. Viele nehmen die Wahlen nicht wahr und verstehen auch nicht, dass sie mit ihrer Stimme Dinge wie das Studententicket unterstützen und weiterhin möglich machen.“
Und nach den Hochschulwahlen?
Da wurde gegrillt, bevor es in die Prüfungsphase ging. Denn bei allem, was die zwölf Fachschaftsmitglieder tun, sind sie vor allem immer noch eines: Studierende